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Autobahnen ausbauen, ja oder nein?

«Verkehr ist mehr als bloss eine schnelle Fahrt von Zürich nach Bern»

Interview mit Nationalrätin Barbara Gysi

Am 24. November stimmen wir über den Autobahn-Ausbau ab. Die St. Galler SP-Nationalrätin Barbara Gysi stört sich an den Milliarden von Franken, die der Ausbau verschlingt – und überdies an den immensen ungedeckten Folgekosten des masslosen Strassenbaus.

© Michel Canonica

Barbara Gysi, als St. Galler Nationalrätin reisen Sie oft und lange Strecken ins Bundeshaus nach Bern. Hand aufs Herz: Ist es nicht ab und an verlockend, mit dem Auto zu fahren?

Es wäre eine Riesenbelastung, wenn ich dies müsste. Wir haben ein grossartiges Bahnnetz und hervorragende ÖV-Verbindungen. Ich nutze sie beruflich und privat – ein Auto habe ich dabei noch nie vermisst. Im Gegenteil: Der Strassenverkehr ist hektisch; im Zug kann ich hingegen arbeiten, lesen oder mich einfach ausruhen.

Wenn es uns gelingt, den öffentlichen Verkehr weiter zu verbessern, steigen jene um, die nicht zwingend aufs Auto angewiesen sind. Das schafft auf der Strasse Platz für alle jene, die das Fahrzeug wirklich benötigen: Handwerkerinnen, Gewerbler, Chauffeurinnen, Lieferanten.

Da sind wir beim Thema: Am 24. November stimmen wir über den Autobahn-Ausbau ab – warum stimmen Sie Nein?

Der Autobahn-Ausbau kostet enorm viel und bringt wenig. Es geht um 5,3 Milliarden Franken. Das ist sehr viel Geld. Wir müssen unsere Verkehrsinvestitionen gut überlegen und sollten nicht einfach noch mehr in die Autobahnen investieren.

Natürlich: Verbesserungen im Strassenverkehr sind durchaus nötig. Jedoch muss der Schwerpunkt auf die Verkehrssicherheit der weniger gut geschützten Verkehrsteilnehmenden gelegt werden. Die Schulwege müssen noch viel sicherer werden, es braucht mehr Velowege und es braucht Verbesserungen für Fussgängerinnen und Fussgänger. Da haben wir Nachholbedarf. Und davon profitieren letztlich alle und nicht bloss einseitig der Autoverkehr.

Als Gesundheitspolitikerin bemängeln Sie, dass Autobahnen nicht nur bei deren Bau, sondern auch lange danach ein Fass ohne Boden sind. Stichwort: Gesundheitskosten.

Der Strassenverkehr deckt bei weitem nicht alle Kosten, die er verursacht. Luftverschmutzung, Lärm und auch Unfälle – darunter leidet die Gesundheit der Menschen; dies wiederum verursacht Kosten. Diese tauchen aber nicht in der Kostenrechnung des Strassenverkehrs auf. Stattdessen werden sie der Allgemeinheit und den Prämienzahlenden aufgebürdet.

Statt mit mehr Geld neue Strassen zu bauen, muss das Verursacherprinzip im Strassenverkehr Realität werden. Wenn der Verkehr für die verursachten Schäden aufkommen müsste, käme eine schöne Summe zusammen, mit welcher man die Gesundheitskosten entlasten und somit die Krankenkassenprämien senken könnte.

Autobahnen sind auch eine Umweltfrage. Und Frauen stimmen seit vielen Jahren praktisch immer umweltfreundlicher als Männer. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Das liegt wohl auch daran, dass Frauen eher das «grosse Ganze» betrachten. Mobilität und Verkehr sind eben mehr als bloss eine schnelle Fahrt von Zürich nach Bern. Auch gefahrlose Schulwege, sichere Trottoirs und genügend Velowege gehören dazu. Und da sind Frauen oft aufmerksamer; auch aus Erfahrung – weil sie nach wie vor häufiger Betreuungsarbeit mit Kindern oder Betagten leisten als Männer. Sie sehen und erleben die Alltagsprobleme an der Schulhausstrasse oder bei der Kreuzung vor der Alterssiedlung.

Ich kann mir gut vorstellen, dass die Frauen bei der Autobahnvorlage das berühmte Zünglein an der Waage sind. Wie etwa beim Atomausstieg: Diesen haben letztlich vor allem die Frauen beschlossen.

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