Autobahnen ausbauen, ja oder nein?
Interview mit Nationalrätin Jaqueline Badran
Autobahn-Abstimmung am 24. November: Es sollen sage und schreibe 5,3 Milliarden Franken in den Ausbau von Autobahnen gesteckt werden. Ohne auch nur ein einziges Problem damit zu lösen.
Haben Sie auch ein Auto, Frau Badran?
Nein, schon ewig nicht mehr. Früher als ich noch Skilehrerin im Engadin war, brauchte ich ein Auto; dort war damals der ÖV unbrauchbar. Seither fahre ich mit dem Velo oder dem ÖV und ich habe seit rund 25 Jahren eine Mitgliedschaft bei Mobility. Letztere nutze ich vielleicht viermal im Jahr; vorwiegend, um Pflanzen und Erde zu besorgen. Wie für die meisten Frauen ist das Auto für mich einfach etwas, das hin und wieder praktisch ist.
Seit ich kein Auto mehr habe, fühle ich mich viel freier, weil ich mich um deutlich weniger kümmern muss. Keine Parkplatzsuche, kein Tanken, keine Reparaturen und keine Winterpneus montieren. Das macht Mobility für mich. Und im ÖV oder wenn ich ab und an ein Taxi nehme, habe ich meinen eigenen Chauffeur oder eine Chauffeuse. So ist es viel sorgenfreier. Und erst noch viel kostengünstiger.
Viele Männer verbinden mit dem Auto hingegen Freiheits- und Statusgefühle. Aus dem Bauch heraus wünschen sie sich dann neue Autobahnen, obwohl diese keine Lösung für unsere Stauprobleme sind. Der Verkehr staut sich dann einfach beim nächsten Flaschenhals. Und der Ausbau von Strassen führt nachweislich zu noch mehr Autoverkehr – auch innerorts.
Wo würden Sie die Milliarden investieren statt in neue Autobahnen?
Während bei sozialen und ökologischen Investitionen sofort auf die Schuldenbremse hingewiesen wird, scheint dies bei milliardenschweren Infrastrukturprojekten keine Rolle zu spielen. Die Autolobby hat sich im Parlament erneut durchgesetzt. Es sollen sage und schreibe 5,3 Milliarden Franken in den Ausbau von Autobahnen gesteckt werden. Dabei sind sich sämtliche Verkehrsexpertinnen und -experten einig: Statt mehr Autobahnen braucht es eine kluge Mobilität: gut ausgebauten öffentlichen Verkehr und zusätzlich sichere Velowege.
Das würde die Strassen wirklich von Staus befreien. Auch die Autobahnen – weil so weniger Menschen mit dem Auto unterwegs sind. Dass dies der richtige Weg ist, belegen die Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern, zum Beispiel aus Dänemark. Dort setzt man in grossen Agglomerationen schon seit Jahren auf das Velo und auf die Kombination mit einem Top-ÖV-Angebot. Der positive Effekt auf die Lebensqualität der Menschen ist gewaltig. Und in der Schweiz können wir an ein bereits gut ausgebautes ÖV-Angebot anknüpfen.
Warum setzt die Schweizer Politik dann trotzdem auf den Ausbau der Autobahnen?
Weil die Politik einmal mehr die Fakten nicht wahrhaben will. Jeder Sanitär weiss: wenn er die Wasserleitungsrohre an das Haus viel grösser macht, aber die Leitungen im Haus nicht vergrössert, fliesst oben kein Tropfen schneller aus dem Wasserhahn. Wenn man also die Autobahnen ausbaut, aber in den Städten die Strassen unmöglich verbreitern kann, stauen sich die Autos einfach vierspurig statt zweispurig vor den Städten. Ein Autobahnausbau nützt also null und nichts gegen Stau und ist eine Scheinlösung.
Das Auto ist und bleibt eine ideologie-geladene Sache, vor allem für Männer. Zudem dauert es in der Schweiz immer sehr lange, bis sachlich sinnvolle Lösungsvorschläge von rot-grüner Seite endlich eine Mehrheit finden. Die bürgerliche Mehrheit wehrte sich jahrzehntelang auch gegen den Ausbau der Solarenergie – bis der drohende Strommangel sie zum Umdenken zwang. Die Volksabstimmung diesen November über den Ausbau der Autobahnen ist darum ein wichtiger Richtungsentscheid in der Verkehrspolitik. Je mehr Frauen abstimmen, desto eher gibt es ein Nein. Umfragen zeigen: Frauen wollen nicht mehr Autobahnen, sondern mehr Klimaschutz, mehr Ruhe und mehr Sicherheit.